Bestandsminderung – Prozess, Gründe und Vor- & Nachteile

In der Lager-Logistik bestimmt die Steuerung bestimmter Größen und Kennzahlen den erfolgreichen Umgang mit Waren, Gütern, Produktions- oder Betriebsmitteln. Eine der wichtigsten Größen hierbei ist die Bestandsminderung. Aus der Sicht des Rechnungswesens gehört die Bestandsminderung wie auch die Bestandsmehrung zur Bestandsveränderung, eine Kennzahl, ohne die das Geschäftsjahr eines handelnden oder produzierenden Unternehmens nicht bilanziert werden könnte.

Doch hinter dem Wort Bestandsminderung verbirgt sich viel mehr: Seitdem erkannt wurde, welches Potenzial im Bestandsmanagement für Unternehmen steckt, wird zunehmend eine Bestandsminderung angestrebt, um dadurch niedrigere Kosten und ein gemindertes Risiko zu erreichen. Dieser Aspekt hat die Logistik im Vergleich zu früher grundsätzlich verändert, was sich auch in den gängigen Prozessen, Methoden und Werkzeugen/Tools widerspiegelt.

Was versteht man unter Bestandsminderung?

Vereinfacht ausgedrückt geht es darum, Bestände beabsichtigt oder unbeabsichtigt im Lager zu reduzieren. Eine Bestandsveränderung kann von vielen Faktoren abhängen, die es zu berücksichtigen gilt, bevor gegebenenfalls eine geeignete Maßnahme getroffen wird. Zum einen kann eine Bestandsminderung eintreten, da man den eigenen Bestand kontinuierlich reduziert, bis ein gewisses Bestandsniveau erreicht ist und erst dann eine Neubestellung ausgelöst wird. Dieses Vorgehen ist in der Praxis das Standard Prozedere. Zum anderen kann die Bestandsminderung bewusst genutzt werden, um in der Beschaffungslogistik und der Materialwirtschaft eines Unternehmens Veränderungen zur Optimierung durchzuführen.

Bestandsminderung Manager in Lager

Während die erste Maßnahme ein Bestandteil der angewendeten Lagerstrategie ist und heute weitgehend automatisiert abläuft, erfordert die zweite Möglichkeit tiefer greifende Kalkulationen und das Zusammenwirken verschiedener Bereiche, angefangen beim Einkauf über den Transport, das Lagerwesen und natürlich den Verkauf bis hin zur Produktion, um diesbezüglich eine fundierte Entscheidung treffen zu können.

Im Normalfall, also ohne beabsichtigte betriebswirtschaftliche Veränderungen, findet eine Bestandsminderung aus vielerlei Gründen statt, meist abhängig vom jeweiligen Produkttyp, genauer gesagt dessen unterschiedlichen Spezifikationen und Rahmenbedingungen. Zum Beispiel ob es sich um verderbliche Waren handelt oder nicht. Die Hauptfaktoren sind die folgenden:

  • Lagerzeitablauf
  • Fehlender Lagerplatz
  • Altbestand
  • Haltbarkeit
  • Modellwechsel
  • Lieferengpass
  • Hohe Nachfrage

In der Regel wird die ideale Bereitstellung der Güter über verschiedene Lagerkennzahlen und Parameter gewährleistet, indem diese so gesetzt werden, dass sich Verbrauch, Lagerhaltung und Bestellung weitgehend optimal zueinander verhalten. Dementsprechend folgt einer Bestandsminderung mittels Neubestellung eine Bestandsmehrung.

Eine Bestandsminderung buchen

In der Zeit vor der Einführung IT-gestützter Lagerbestandssysteme diente die Lagerfachkarte dazu, eine Bestandsminderung direkt an der jeweiligen Lagerposition zu vermerken. Ein Lager mittels manuell auszufüllender Fachkarten zu führen ist personalintensiv und sehr langsam sowie sehr fehlerbehaftet und nicht mehr zeitgemäß.

Heute erfolgt die Erfassung einer Bestandsminderung über die auf das jeweilige Lager zugeschnittene Lagersoftware. Diese Software wird entweder On-Premise bereitgestellt, oder aber als Software as a Service Cloud-basiert zur Verfügung gestellt. Letzteres verdrängt zunehmend das On-Premise Modell, da es wesentlich skalierbarer und kosteneffizienter ist.

Bestandsminderung Tablet mit Cloud

Der Umsetzung in der Praxis in einem Lager kann beispielsweise so aussehen: Der Lagerleitstand erhält über die Software eine Bestellung aus der Produktion über eine bestimmte Menge der Ware XYZ. Schon während der Eingabe konnte der bestellende Mitarbeiter erkennen, ob die Ware XYZ vorrätig ist. Im Lagerleitstand wird nun die Ware in der angeforderten Menge zur Kommissionierung freigegeben, vorausgesetzt es bestehen dagegen keine Hindernisse wie etwa in der Lagersoftware hinterlegte Sperrvermerke. Ist dies nicht der Fall, erfolgt nun die physische Auslagerung, abhängig von der Art des Lagers und dessen Ausstattung.

Sehr oft sind an den Lagerpositionen maschinenlesbare Barcodes angebracht, die mittels eines entsprechenden mobilen Lesegerätes gescannt werden. Neuerdings kommen auch zunehmend RFID- und NFC-basierte Systeme zum Einsatz. Mit dem Scan-Vorgang wird gleichzeitig die zu entnehmende Menge von der Lagerposition abgebucht, wobei eine manuelle Korrektur der Entnahmemenge möglich ist, wenn diese zum Beispiel in der Realität nicht der im System hinterlegten Menge entspricht. Die Lagersoftware kann dann über die erforderliche Restmenge selbstständig einen weiteren Kommissionierungsauftrag von einer anderen Lagerposition generieren, um die vorgesehene Bestandsminderung abzuschließen.

Der gesamte Kommissionierungsvorgang zur Bestandsminderung ist abhängig von den in der Lagersoftware hinterlegten Lagerkennzahlen. Bei einer chaotischen Lagerhaltung beinhaltet dies oft mehrere Lagerpositionen mit unterschiedlichen Spezifikationen. So gehören unter anderem dazu Lagerdauer, Lagerbestand, Umschlagshäufigkeit und Sicherheitsbestand. Daraus errechnet die Lagersoftware, welche Menge von welcher Position entnommen werden kann, um das bestmögliche Verhältnis der Lagerkennzahlen zueinander herzustellen.

Rechenbeispiel zur Bestandsminderung

Die Ware XYZ ist im Lager nach Chargen auf mehrere Lagerfächer verteilt. In der Software ist hinterlegt, das die Bestandsentnahme vorrangig nach Lagerdauer erfolgen soll. Der älteste Lagerbestand wird dementsprechend zuerst kommissioniert.

Die Ware XYZ befindet sich in folgenden Mengen auf den Lagerplätzen:

  • Lagerplatz A5 = 456 St. eingelagert am 1.1.2016
  • Lagerplatz G7 = 893 St. eingelagert am 25.3.2016
  • Lagerplatz Y15 = 1879 St. eingelagert am 15.6 2016

Der Sicherheitsbestand beträgt 500 St. Die Mindestmenge 1500 St.

Nun geht aus der Produktion eine Bestellung von 2000 St. ein. Die Lagersoftware generiert entsprechend einen Kommissionierungsauftrag über alle drei Lagerplätze, wobei bei den Plätzen A5 und G7 eine Restentnahme erfolgt und auf dem Platz Y15 die Entnahme von 651 St.

Die Restmenge der im Lager befindlichen Ware XYZ beträgt 1228 St. Durch das unterschreiten der Mindestmenge wird nun ein Bestellvorgang ausgelöst, um die Bevorratung gemäß der Lagerkennzahlen zu gewährleisten.

Warum Bestände dauerhaft mindern?

Wie bereits eingangs erwähnt, kann die Bestandsminderung ein Werkzeug sein, um Lagerkosten zu optimieren. Gerade moderne Software zur Lagerbestandsführung bietet hierzu die entsprechenden Daten in Echtzeit, da jede Entnahme und jeder Zugang sofort abgebildet wird. Lagerhaltung bedeutet zunächst einmal gebundenes Kapital. Darin enthalten ist die Infrastruktur, das Personal und natürlich die einzulagernden Güter. Durch die sinnvolle Reduktion der Güter kann das Lagerpotenzial besser genutzt werden. Die entscheidenden Faktoren hierzu bestehen aus der bestmöglichen Abstimmung zwischen Verbrauch oder Verkauf sowie Liefergeschwindigkeit und Liefersicherheit. Weitere ausschlaggebende Faktoren sind die Liefer- und Bestellkosten. Sicherlich eignet sich nicht jede Ware für eine Bestandsminderung, aber doch ein großer Teil.

Die Vorteile liegen auf der Hand. Durch eine Bestandsminderung wird Lagerplatz frei, das jeweilige Produkt wird schneller umgeschlagen, die Lagerdauer verkürzt sich und damit eventuell einhergehende Beeinträchtigungen werden vermieden.

Die Nachteile sind in höheren Liefer- und Bestellkosten sowie den Risiken eines unerwarteten Lieferausfalls oder einer plötzlichen Preiserhöhung zu sehen.

Fazit

Für den Betreiber des Lagers gilt es nun abzuwägen, ob die Vorteile die Nachteile überwiegen. Im Handel etwa kann mithilfe der Bestands-Minderung das anzubietende Sortiment erweitert werden, ohne dafür extra Lagerplatz schaffen zu müssen. Der Vorgang lässt sich auch über einen begrenzten Zeitraum bewerkstelligen, um zum Beispiel die höhere Bevorratung eines oder mehrerer Produkte für ein saisonales Ereignis sicherzustellen, indem bei anderen Produkten, die zu diesem Zeitpunkt weniger stark nachgefragt sind, die Bestände reduziert werden. Natürlich setzt dies voraus, dass Lieferverträge entsprechend flexibel gestaltet sind.

Mithilfe einer fortschrittlichen Lagerbestandssoftware, die über entsprechende Module oder Schnittstellen mit dem Einkauf sowie dem Verkauf oder der Produktion verbunden ist, lassen sich die Bestandskennzahlen den aktuellen wie den voraussichtlich kommenden wirtschaftlichen Verhältnissen anpassen. Dabei können ebenso historische Daten zugrunde gelegt werden, um die Wahrscheinlichkeit für den zukünftigen Bedarf auszurechnen. Automatisiert und kontrolliert.

Dies war nun eine von zahlreichen Möglichkeiten, wie Sie effektiv Lagerkosten senken können und sich somit die Kapitalbindung sowie Risiko reduzieren lassen. Es existieren aber im Hinblick darauf noch weitere, praxisbewährte Methoden. Sollte das ein Thema von Interesse sein, dann werfen Sie einen Blick in den folgenden Ratgeber zum Thema „Lagerkosten senken“:

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